1 Studie, 2 Insights & 3 Aktionen

Wegwerfen als Verkaufsargument: Die überraschende Psychologie hinter Circular Take-Back-Programmen.

Was bringt Menschen dazu, mehr für dein Produkt zu zahlen? Eine neue Studie zeigt: Ausgerechnet die Möglichkeit, es wieder loszuwerden. Take-Back-Programme von IKEA bis H&M steigern die Zahlungsbereitschaft um bis zu 17% und das hat überraschend wenig mit Nachhaltigkeit zu tun.

1 Studie

Stell dir vor, du verkaufst ein Produkt und der eigentliche Conversion-Trigger liegt nicht nur im Nutzen, Design oder Preis, sondern im Wegwerfen.

Klingt erstmal absurd? Warte ab.

Immer mehr Marken wie IKEA, Media Markt und H&M setzen auf sogenannte Circular Take-Back Programme. Die Produkte kommen über Rücknahme-Programme zurück in den Kreislauf. Nachhaltig? Ja und wie (unbedingt umsetzen). Aber das ist hier nicht der Punkt, sondern:

Diese Programme verändern, wie Menschen Produkte wahrnehmen, bewerten und was sie bereit sind zu zahlen.

Eine neue Studie der Boston University (2024) belegt das eindrucksvoll:

  • 4.400 Teilnehmer in kontrollierten Experimenten.
  • Zusätzlich 2.400 echte Kundendaten.
  • 8 Produktkategorien: Stifte, T-Shirts, Rucksäcke bis hin zum IKEA-Sofa.

Und die Ergebnisse stellen einige Dinge überraschend eindeutig auf den Kopf. Denn die deutlich höhere Zahlungsbereitschaft kommt aus einem Grund, den kaum jemand auf dem Zettel hat:

Der Kontrolle über das Wegwerfen.

Oder präziser: In der Möglichkeit, das Produkt in einen Kreislauf zurückzugeben. Aber nicht, weil es nachhaltiger ist (das war den Kunden erstaunlich egal). Sondern weil es das Gefühl von Eigentum verstärkt.

Wie und warum das funktioniert? Und wie du es für deine Produkte nutzen kannst? Das zeigen dir die folgenden Insights.

2 Insights


1. Rücknahme-Programme machen Produkte wertvoller: Kunden zahlen bis zu 17% mehr.

Zwei optisch gleiche T-Shirts, eines von H&M für 10,15 und das andere von Zara für 11,90. Zu welchem greifen die Leute eher?

Nicht überraschend wählen 61% das günstigere Shirt.

Was, wenn das Zara T-Shirt als Teil eines Take-Back-Programms beworben wird? Die Präferenz dreht sich, die Wahl fällt um 167% wahrscheinlicher darauf.

Ich weiß, der Preisunterschied ist natürlich überschaubar. Aber es ist bei weitem kein Einzelfall:

Hunderte Leute sahen eine Produktanzeige für einen bequemen Stuhl von IKEA. Dann wurden sie gefragt: “Wie viel würdest du dafür bezahlen?” Die durchschnittliche Antwort: 127,15.

Kam die gleiche Anzeige mit dem Hinweis:

„Du kannst diesen Stuhl nach der Nutzung an IKEA zurückgeben. Er wird recycelt oder wiederverwendet.“

Der Preis, den Leute im Schnitt dafür bezahlen würden, stieg auf 142,69. Sozusagen 12,2% mehr.

Nachempfundenes Beispiel aus einem Experiment der aktuellen Studie.

Vermutlich kennst du den Vermerk “100% recycelbar”, oder?

Ein Teeset aus Glas wurde getestet, ob auch der Recycling-Hinweis bereits ausreicht. Es hatte null Effekt. Mit Circular-Programm? Zahlungsbereitschaft +17,1%.

Aber warum funktioniert das so gut?

2. Verschwendungsangst + Gefühl von Kontrolle = Höherer Wert.

Als erstes muss man sagen, wir Menschen mögen es nicht, Dinge zu verschwenden. Weder Zeit, Geld noch Ressourcen. Diese „Waste Aversion“ sitzt tief. Auch wenn unser tatsächliches Konsumverhalten oft anders aussieht. Und genau hier kommen Rücknahmeprogramme ins Spiel.

Nehmen wir das Beispiel des IKEA Stuhls. Der Stuhl wurde deutlich besser wahrgenommen, nicht wegen Qualität, Preis oder Nachhaltigkeit, sondern wegen des Gefühls, dass das Circular-Label vermittelt:

Ich bestimme das Ende. → Ich habe die Kontrolle.

Die Kontrolle über einen für uns wichtigen Bereich. Und diese Kontrolle gibt uns ein noch stärkeres Gefühl von Eigentum: „Das gehört mir“. Nicht nur im rechtlichen Sinn, sondern emotional. Die Wissenschaft nennt es Psychological Ownership.

Bei einem Sofa von IKEA stieg die empfundene Kontrolle um ganze 39,5%, was zu mehr Eigentumsgefühl führte. Das Sofa wird somit wertvoller wahrgenommen, was sich positiv auf die Zahlungsbereitschaft auswirkte.

Ein faszinierender Beleg dafür:

Der Effekt verschwindet, wenn ein Produkt als Geschenk gekauft wird. Kein Eigentumsgefühl → keine Wertsteigerung.

Was bedeutet das für dein Marketing und deine Kommunikation?

Beispiel eines MediaMarkt Trade-In-Services für’s Iphone. Wie du es noch wirksamer machen kannst, liest du in den 3 Aktionen.

3 Aktionen


1. Betone die Kontrolle, nicht nur „Grün“.

Mehr Kontrolle am Ende des Produktlebens ist ein echtes Produkt-Feature. Kommuniziere nicht nur, dass dein Produkt recycelt oder wiederverwendet wird, sondern dass der Kunde selbst die Möglichkeit und Kontrolle hat, dazu beizutragen.

Vermittle das Gefühl: „Du entscheidest, wann dein Produkt zurückkommt. Wir sorgen für den Rest.“

Messaging-Beispiele, die Kontrolle & Ownership triggern:

✓ „Wegwerfen war gestern. Heute entscheidest du, wie’s weitergeht.“
✓ „Dieses Produkt bleibt dein Projekt – bis zum letzten Tag.“
✓ „Weil du weißt, was gut ist – auch am Ende.“

Tipp: Es zählt nicht nur das Vorhandensein eines Programms, sondern auch dessen Ausgestaltung. Ein Produkt mit einem Rücknahmeprogramm, bei dem der Kunde entscheiden kann, ob recycelt oder gespendet wird, gerne auch an welche Organisation, erhöht den Effekt zusätzlich.

Zweites Leben als Bestandteil des Kreislaufprogramms von IKEA.

2. Mach’s persönlich – verknüpfe Programm & Produkt.

Der Wert entsteht primär, wenn das Rücknahmeprogramm direkt mit dem konkreten Produkt gekoppelt ist.

Es reicht nicht, als Marke „irgendwelche“ Kreislaufinitiativen zu haben. Das Programm muss dem Kunden die Kontrolle über die Entsorgung des gewünschten Produkts geben, das er kaufen möchte.

Beispiele für produktspezifische Kommunikation:

  • „Bring diese Jacke zurück und…“
  • „Dein Stuhl kommt am Ende zu uns…“
  • „Du entscheidest, ob dein T-Shirt recycelt oder gespendet wird.“

Wichtig: Bei Geschenken funktioniert der Effekt nicht. Also bewirb Kreislaufprogramme primär in der direkten Kundenansprache.

3. Spar dir Rabatte & komplizierte Logistik.

Menschen zahlen mehr für Produkte mit Rücknahmeversprechen, aber zusätzliche Rabatte oder aufwändige Abholservices bringen keine weitere Steigerung.

Die Studie zeigt:

  • Ein 10%-Rabatt auf Folgekäufe? Kein Effekt auf die Zahlungsbereitschaft.
  • Abhol- oder Bringservice? Macht keinen Unterschied.
  • Nur die Rückgabe-Option selbst steigert den Wert.

Fokussiere dich also auf:

  • Klare Kommunikation der Rückgabemöglichkeit.
  • Storytelling rund um Kontrolle & Ownership.
  • Einfache und unkomplizierte Prozesse.

Spar dir die Goodwill-Investments, die keinen ROI haben. Der psychologische Effekt der Kontrolle reicht völlig aus.

Die Insights zeigen: Wenn wir Kunden mehr Kontrolle über ihre Produkte geben, schaffen wir eine Win-win-Situation. Nachhaltiger Konsum wird attraktiver, Kunden fühlen sich stärker mit ihren Produkten verbunden und Unternehmen profitieren von loyaleren Kunden.

Das Beste daran? Die Umsetzung ist denkbar einfach, denn oft reichen schon kleine Änderungen in der Kommunikation, um echten Mehrwert für alle zu schaffen.

Beste Grüße.
Bernd

PS: Dieser Beitrag wurde zuerst in meinem 1-2-3 Insights 🧠 Newsletter veröffentlicht. Wenn du keine Insight’s mehr verpassen möchtest, melde dich einfach hier an!

Studie: Tari, A., & Trudel, R. (2024). Affording Disposal Control: The Effect of Circular Take-Back Programs on Psychological Ownership and Valuation. Journal of Marketing, 88(3), 110-126.

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