“In den Warenkorb“ – Wie häufig hast du diesen Button in Online-Shops schon gesehen?
Von Zalando über MediaMarkt, Otto oder AboutYou. So machen es die meisten. Und erst wenn der Kunde klickt, kann er die gewünschte Menge auswählen. Schließlich wollen wir den Kaufprozess so einfach wie möglich gestalten, oder?
Ein scheinbar logisches Muster: Erst fragen wir den Kunden, OB er kaufen möchte. Danach kann er entscheiden, WIE VIEL er kaufen will.
Doch was, wenn diese Logik täglich Verkäufe kostet?
Was würde passieren, wenn wir beide Entscheidungen kombinieren würden? Wenn Kunden direkt zwischen „1 kaufen“, „2 kaufen“ oder „3 kaufen“ wählen könnten?
HP Inc., einer der weltweit größten Druckerhersteller, mit einer bereits hoch optimierten Website. Jahre von A/B-Tests, Millionen von Besuchern und dann kommt diese simple Änderung – mit erstaunlichen Resultaten.
In diesem Beitrag erfährst du:
- Wie eine simple Änderung im Kaufprozess HP über 1 Million Dollar Mehrumsatz bescherte – und wie du diesen Effekt für dich nutzen kannst.
- Warum der Zeitpunkt der Mengenentscheidung psychologisch so entscheidend ist und welche versteckten „Exit Points“ dadurch vermieden werden.
- Wann dieser Ansatz besonders gut funktioniert (und wann du vorsichtig sein solltest).
1 Studie
Ein großangelegtes Experiment mit HP Inc. und 36 kontrollierten Laborstudien mit über 20.000 Teilnehmern. Dabei untersuchen die University of Toronto und die University of California San Diego eine zentrale Frage:
Was passiert, wenn Kunden nicht nur gefragt werden „Willst du das?“, sondern direkt: „Wie viele willst du?“

Links: Klassisches Format. Rechts: Format mit direkten Mengenoptionen wie Add 1 to Cart, Add 2 to Cart oder Add 3 to Cart. HP Inc. Beispiel, ähnlich wie in der Studie verwendet.
Anstatt erst auf „In den Warenkorb“ zu klicken und danach die Menge zu wählen, konnten Kunden direkt zwischen „1 kaufen“, „2 kaufen“ oder „3 kaufen“ wählen.
Das Besondere an der Studie:
Sie verbindet reale E-Commerce-Daten mit systematischen Experimenten – und untersucht eine breite Vielfalt an Produkten und Preisklassen:
HP und Druckerpatronen: In einem groß angelegten Live-Test analysierte HP, wie sich das neue Format auf die Verkaufszahlen eines ihrer wichtigsten Produkte – Druckerpatronen – auswirkte.
Domino’s Pizza und Alltagsprodukte: Auch bei impulsiven Zusatzkäufen wie Coca-Cola zu einer Pizza wurde das Format getestet – mit spannenden Erkenntnissen.
Breite Preisspanne: Die Tests reichten von günstigen Impulsartikeln wie Kaugummi und Schokolade über Körperpflegeprodukte und Geschenkkarten bis hin zu hochpreisigen Bank-Zertifikaten.
Dabei untersuchten die Forscher nicht nur die Verkaufszahlen, sondern auch, wie dieser kleine Unterschied den gesamten Entscheidungsprozess der Kunden beeinflusst.
Die Ergebnisse? Bemerkenswert:
2 Insights
1. Der „Quantity Integration Effect“: Wie eine simple Änderung im Kaufprozess die Verkäufe um bis zu 28% steigert
HP Inc., einer der weltweit führenden Druckerhersteller, mit jahrelanger Optimierung ihrer Website und Millionen von Besuchern – testete die Verkaufsformate bei einem ihrer wichtigsten Produkte: Druckerpatronen.
Die simple Änderung? Kunden konnten statt „In den Warenkorb“ direkt zwischen „1 kaufen“, „2 kaufen“ oder „3 kaufen“ wählen.
Das Ergebnis?
Umsatzsteigerung: +15,47% allein durch diese Änderung.
Höhere Conversion-Rate: 11,68% mehr Kunden entschieden sich für einen Kauf.
Mehrumsatz: Hochgerechnet über 1 Million Dollar jährlich.
Auch wenn man annehmen könnte, dass dadurch größere Mengen pro Kauf getätigt werden, zeigt die Analyse: Der Effekt zahlt vielmehr auf die Häufigkeit der Käufe ein. Kunden entscheiden sich häufiger für einen Kauf – und das macht den Unterschied.
Anderes Beispiel: Dominos Pizza
Stell dir vor, du bestellst eine Pizza online und ein Popup fragt dich, ob du Cola dazu willst.

Links: Klassische Option, bei der Kunden gefragt werden, ob sie ein Produkt hinzufügen möchten. Rechts: Alternatives Format, das direkte Mengenoptionen bietet. Beispiel ähnlich wie in der Studie genutzt, um impulsive Zusatzkäufe wie Coca-Cola zu steigern.
Bei Domino’s Pizza klicken normalerweise 72% der Kunden sofort auf „Nein, danke“. Doch als die Frage verändert wurde – „Möchtest du 1, 2 oder 3 mal Cola?“ – passierte folgendes: Nur noch 60% lehnten direkt ab.
Die Kaufrate? Verdoppelte sich nahezu von 11,56% auf beeindruckende 23,35%.
Und der Effekt zeigte sich über eine beeindruckende Breite an Produkte und Preisklassen:
< $1: Rubbellose, Kaugummi, Avocados
$1–$5: Getränke, Snacks & Schokolade, Seife, Geschenkkarten
$5–$10: Notizbücher, Duftkerzen, Körperpflege
$200: Bankprodukte (Certificates of Deposit)
Das Endergebnis über alle Studien?
Eine durchschnittliche Steigerung der Kaufwahrscheinlichkeit um 14 Prozentpunkte und eine relative Umsatzsteigerung um 28%.
Nicht ganz so schlecht, oder? Aber wie lässt sich das nun erklären?
2. Von „Ob?“ zu „Wie viele?“ – Warum der richtige Einstiegspunkt Verkäufe steigert
Eigentlich würde man erwarten: Mehr Optionen = mehr Komplexität = weniger Conversions.
Doch das Gegenteil war der Fall. Das Format mit mehreren Auswahlmöglichkeiten performte besser – und zwar deutlich. Warum?
Stell dir den klassischen Kaufprozess wie eine Treppe vor. Jede Stufe ist eine Entscheidung:
1. Bedarf erkennen: „Brauche ich das überhaupt?“
2. Infos suchen: „Welche Optionen gibt es?“
3. Alternativen bewerten: „Was ist die beste Wahl?“
4. Kaufentscheidung treffen: „Okay, ich kaufe.“
5. Nach dem Kauf bewerten: „War es das wert?“
Natürlich gibt es in der Realität ein Vor und Zurück, ein Überspringen und Ähnliches, aber bleiben wir bei diesem idealtypischen Bild.
Was ist das Problem dabei? Bei jedem Schritt können Kunden aussteigen – und viele tun das auch.
Die Forscher ließen Teilnehmer ihre Gedanken dokumentieren und fanden Spannendes:
Klassischer Warenkorb-Button:
Mehr Zweifel: „Brauche ich das wirklich?“
Kunden verharren länger in den frühen Phasen
Höhere Abbruchrate durch mehrere „Ausstiegspunkte“
Integriertes Format (1, 2 oder 3 Stück?):
Weniger grundsätzliche Zweifel
Die Frage verschiebt sich von „Ob?“ zu „Wie viele?“
Schnelle Fokussierung auf die Mengenentscheidung
Das Gehirn wird sozusagen in einer späteren Phase des Entscheidungsprozesses „verankert“ – und überspringt frühere Phasen.
Wann wirkt der Effekt besonders stark?
Der „Quantity Integration Effect“ funktioniert besonders gut, wenn Kunden noch nicht in der „Ich muss das jetzt kaufen“-Mentalität sind:
Ideal: Einfache Vorratskäufe oder Artikel, bei denen Kunden noch unentschlossen sind (vor allem höherpreisige Produkte). Auch Impulskäufe, denen vorher noch keine große Überlegung vorging.
Weniger effektiv: Produkte, die gerade dringend gebraucht werden, bei denen die Kaufmotivation sozusagen bereits hoch ist. Hier macht die Darstellung keinen Unterschied.
Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für dich?
3 Aktionen
1. Teste „Wie viele?“-Buttons statt „In den Warenkorb“
Ersetze generische „In den Warenkorb“ Buttons durch spezifische Mengenoptionen wie „1 kaufen“, „2 kaufen“ oder „3 kaufen“?
Wo testen?
- Impulskäufe: Lebensmittel, Snacks, oder Verbrauchsgüter wie Seife oder Shampoo.
- Produkte mit höherer Kaufmenge: Artikel, bei denen es plausibel ist, dass Leute mehr als eine Einheit kaufen (z. B. Vorratskäufe oder Sonderangebote).
- Selbst bei Produkten, die bei dir typischerweise nur einmal gekauft werden, können solche Optionen die Kaufentscheidung erleichtern – solange es nachvollziehbar ist, dass mehrere Einheiten sinnvoll sein könnten.
Tipp: Fokussiere dich auf Produkte, bei denen eine Mengenentscheidung für Kunden relevant erscheint. Höhere Preisklassen oder Impulskäufe profitieren am meisten.
2. Nutze die optimale Anzahl an Optionen
Die Ergebnisse zeigen, dass 3 – 5 Optionen am besten funktionieren.
- Mehr als 5 Optionen: Kann Kunden überfordern und die Kaufwahrscheinlichkeit leicht senken.
- Günstige Verbrauchsgüter: Hier können größere Mengen wie „5+“ oder „10er-Packs“ effektiv sein.
- Hochpreisige Produkte: Begrenze die Auswahl auf kleinere Mengen (1–3 Einheiten), um Kunden nicht abzuschrecken.
Teste verschiedene Varianten, beispielsweise die Wirkung von 3 vs. 5 Optionen, um die optimale Anzahl für deine Zielgruppe und Produkte zu finden.
3. Nutze dynamische Optionen mit Anreizen
Ein dynamischer Ansatz wie „Füge 2 hinzu und spare 20% auf den zweiten Artikel“ kann die Kaufwahrscheinlichkeit zusätzlich erhöhen.
- Kunden nehmen mehrere Einheiten als „normal“ wahr.
- Rabattangebote verstärken diesen Eindruck und schaffen zusätzliche Anreize. Sieh dir hierzu gerne eine Produktseite von Snocks.com an, die es ähnlich für sich nutzen.
- Auch „Value Adds“ wie Gratisproben oder kostenlose Lieferung ab einer bestimmten Menge können hier wirken.
Tipp: Klare, visuelle Anreize unterstützen die Wahrnehmung des Mehrwerts und stärken die Kaufentscheidung.
Wie jede Woche gilt auch heute – teste die Ansätze und passe sie an deine Zielgruppe an. Und sieh selbst, wie gezielte Psychologie deine Kunden begeistern und deinen Verkaufserfolg steigern kann.
Beste Grüße.
Bernd
PS: Dieser Beitrag wurde zuerst in meinem 1-2-3 Insights 🧠 Newsletter veröffentlicht. Wenn du keine Insight’s mehr verpassen möchtest, melde dich einfach hier an!