Stell dir vor, du möchtest online ein neues Produkt kaufen. Dabei hast du in der Regel zwei Arten von Informationen zur Verfügung:
Einerseits das, was der Verkäufer über sein Produkt schreibt. Und andererseits das, was andere Leute sagen, die das Produkt bereits gekauft oder getestet haben. Zweiteres findest du online hauptsächlich in Bewertungen.
Aber weshalb sind Bewertungen für dich als Kunde entscheidend? Weil sie dir dabei helfen, dich sicherer zu fühlen und eine fundierte Entscheidung zu treffen. Gleichzeitig baut sich dadurch Vertrauen auf – in das Produkt, das Unternehmen und eventuell auch in die Marke.
Für dich als Unternehmer, Marketer oder Verkäufer sind Online-Bewertungen daher weit mehr als nur eine nette Ergänzung. Sie sind fast ein unverzichtbares Element für deinen Erfolg. Eine positive Bewertung kann den Unterschied zwischen einem Verkauf und einem verlorenen Kunden ausmachen und langfristig gesehen auch zur Markenbildung beitragen.
In der heutigen Welt, in der die meisten Produkterfahrungen online beginnen und/oder enden, kann man die Bedeutung von Online-Bewertungen kaum überschätzen.
Daher ist es auch ein gängiger Gedanke in vielen Unternehmen, schnell nach dem Kauf an eine Bewertung zu erinnern – schließlich scheint die Erfahrung noch frisch und die Kunden eher bereit, ihre Meinung zu teilen.
Oder? Ist das der richtige Zeitpunkt? Denn ein falscher Zeitpunkt kann dir deine Bewertungen sprichwörtlich „zerschießen“.
1 Studie
Eine großangelegte Studie mit knapp 300.000 Teilnehmern gibt darauf spannende Antworten. Forscher der University of Nevada Las Vegas, Shanghai Jiao Tong University und anderer Institutionen untersuchten in einer kürzlich erschienenen Studie im Journal of Marketing:
Wann ist der bestmögliche Zeitpunkt, um Kunden an die Bewertung zu erinnern?
1. Um die Anzahl der Bewertungen zu steigern.
2. Um die Qualität der Bewertungen zu verbessern.
Dazu wurden Kunden von zwei sehr unterschiedlichen Bereichen analysiert – einer führenden Reiseplattform für Flüge, Hotels und Touren sowie einem großen E-Commerce Fashion-Unternehmen.
Also, solltest du direkt am nächsten Tag fragen?
Nach ein paar Tagen?
Nach einer Woche?
Oder gar später?
2 Insights
1. Gedulde dich, es macht sich bezahlt
Der optimale Zeitpunkt für die Frage nach einer Bewertung ist nicht sofort. Ganz im Gegenteil: Schnelle Erinnerungen nach dem Kauf verringerten die Wahrscheinlichkeit, dass Kunden eine Bewertung abgaben:
Erinnerung am nächsten Tag:
Wenn Kunden bereits einen Tag danach an eine Bewertung erinnert wurden, sank die Anzahl der Bewertungen um ganze 48%. Selbst nach fünf Tagen war die Rücklaufquote noch um 43% niedriger als bei Kunden, die überhaupt keine Erinnerung erhalten haben.
Warten zahlte sich aus:
Wenn jedoch neun Tage gewartet wurde, stieg die Anzahl der Bewertungen bereits um 6%. Nach 13 Tagen erhöhte sich die Quote sogar um beeindruckende 68% auf der Reiseplattform.
Die spätere Rückmeldung verbesserte sogar etwas die Qualität der Kundenbewertungen.
Ergebnisse im E-Commerce:
Ähnliche Muster zeigten sich auch im Fashion E-Commerce. Eine Erinnerung nach sieben Tagen führte zu 12% mehr Bewertungen, und nach 14 Tagen stieg die Rücklaufquote um volle 39%.
Besonders in Bereichen, in denen die individuelle Kundenerfahrung eine zentrale Rolle spielt – wie bei Reisen oder Unterhaltung – und bei jungen Konsumenten (Gen Z), führten schnelle Erinnerungen häufiger zu weniger Bewertungen. Verglichen mit alltäglichen Konsumartikeln wie Wasser oder Dosensuppe, bei denen die Erwartungen klarer sind.
Aber was steckt hinter diesem Rückgang?
2. Warum Timing zählt – Psychologische Reaktanz
Vielleicht kennst du das Gefühl „Jetzt erst recht nicht“. Es beschreibt den Effekt der Reaktanz perfekt.
Zu früh gesendete Erinnerungen können von Kunden als Eingriff in ihre Freiheit und Autonomie wahrgenommen werden, was zu einer negativen Reaktion führen kann.
Reaktanz entsteht, wenn jemand versucht, dich zu etwas zu drängen, das du nicht willst oder noch nicht bereit bist zu tun. Man reagiert dann oft mit „Trotz“ oder Widerstand, weil man seine Freiheit, selbst zu entscheiden, verteidigen möchte.
Es ist also keine reine Verweigerung, sondern vielmehr eine aktive Wiederherstellung der eigenen Handlungsfreiheit – wenn auch unvorteilhaft, indem man das Gegenteil von dem tut, was von einem verlangt wird.
Achte besonders darauf, wenn du junge Menschen (Gen Z) als Kunden hast. Hier zeigte sich der Effekt am stärksten.
Wenn du Reaktanz bestmöglich umgehen möchtest:
3 Aktionen
1. Warte rund 10+ Tage
Du möchtest eine einfache Faustregel? Gib deinen Kunden rund 10 Tage Zeit, bevor du um eine Bewertung bittest. Dies gibt ihnen genügend Freiheit, das Produkt zu erleben und von selbst auf die Idee zu kommen, eine Bewertung abzugeben.
2. Differenziere nach Produktart
Bei einfachen, alltäglichen Produkten wissen Kunden in der Regel schnell, ob das Produkt ihren Erwartungen entspricht. Hier kannst du etwas früher nach einer Bewertung fragen.
Im Gegensatz dazu ist es bei erfahrungsbasierten Produkten (z.B. Restaurants, Reisen) sinnvoll, deinen Kunden mehr Zeit zu geben, bevor du eine Bewertungserinnerung sendest.
3. Nutze gezielt Erfahrungswerte
Finde heraus, wie schnell Kunden normalerweise ohne Nachfrage eine Bewertung abgeben, und richte deine Erinnerungen danach aus. Wenn diese Zeitspanne verstrichen ist, schick eine Erinnerung aus, um deine Kunden zur Bewertung zu motivieren.
Wenn die durchschnittliche Zeitspanne aber noch nicht vorbei ist, solltest du keine Erinnerung senden, um nicht zu „stören“ und um Reaktanz zu vermeiden.
Wie immer – Teste die Ansätze, passe sie an deine Zielgruppe an und nutze das volle Potenzial von Kundenbewertungen, um dein Unternehmen nachhaltig zu stärken.
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Beste Grüße.
Bernd
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